Heute Morgen passt ein Handwerker im Haus von Ruth und Jean-Paul Rapin-Koenig im Dorfkern von Romanel-sur-Morges (VD) eine Schiene ein, um einen Treppenlift für die drei Stufen zwischen Wohnzimmer und Erdgeschoss zu installieren. «Meistens lebe ich von einem Tag in den anderen. Doch mit dem Treppenlift bereite ich mich auf die Zukunft vor», erklärt Ruth Rapin-Koenig. Heute kann ihr Mann Jean-Paul die drei Stufen noch ohne grosse Sturzgefahr bewältigen.

Nachdem der 88-jährige Jean-Paul Rapin sich mehrmals verirrt und halluziniert hatte, wurde 2017 die Diagnose einer vaskulären Demenz gestellt. «Das hat uns völlig unvorbereitet getroffen», erklärt die 77-jährige Ruth Rapin-Koenig. Als Pflegefachfrau und Lehrperson für Krankenpflege, die während dreissig Jahren Studierende in psychogeriatrischen Institutionen betreut hat, ist ihr klar, was die Diagnose bedeutet.

Im Laufe der Zeit verschlechterte sich der allgemeine Gesundheitszustand von Jean-Paul Rapin. Er verlor an Mobilität und stürzte mehrmals. Trotz ihrer Pflegekenntnisse spürte Ruth Rapin-Koenig, dass sie an ihre Grenzen kam. Vollends klar wurde es ihr, als ihr Mann im Herbst 2020 ins Krankenhaus eingewiesen wurde. «Da habe ich erkannt, dass ich völlig erschöpft war. Ich hatte so vieles allein bewältigen müssen, dass ich als Mensch sozusagen nicht mehr existierte. Aber ich war auch stolz auf mich: In meinem Alter hatte ich es so lange geschafft, die Situation allein zu meistern!»


Wieder zu sich finden

Dem Rat der Ärzte folgend, nutzte sie die fünf Wochen Spitalaufenthalt und Rehabilitation ihres Mannes, um sich zu erholen und die Organisation des Alltags neu zu überdenken. Die Pflegepersonen des sozial-medizinischen Zentrums, die bereits am Morgen vorbeikamen, kommen jetzt auch am Abend. Sie nutzt nun Hilfsmittel – einen Rollator, eine Sitzhilfeerhöhung auf der Toilette und einen Hebestuhl – und hat den Verein Alz’Amis kontaktiert: Heute kommen zwei ausgebildete, freiwillige Pflegekräfte einmal pro Woche jeweils für drei Stunden am Morgen oder für vier Stunden am Nachmittag vorbei. In diesen Momenten nimmt sich Ruth Rapin-Koenig Zeit für sich. Sie geht wieder turnen und in die Aquagym. Ab und zu trifft sie sich auch wieder mit ihren Freundinnen. Sie hat auch gelernt, wieder «zu sich zu kommen»: Sie tritt aus dem Haus, schliesst die Tür ab, geht eine halbe Stunde spazieren und kommt so zur Ruhe. «Dann ist alles andere weg. Ich erlebe die Natur, atme tief ein und kann auftanken.»

Auch wenn der Alltag nur wenig Möglichkeiten zur Improvisation lässt, kann Ruth Rapin-Koenig auf ein zuverlässiges Entlastungsnetzwerk zählen: auf ihre Kinder und Enkel, die gewisse Aufgaben übernehmen, und auf die Nachbarn, die Tag und Nacht verfügbar sind. Die Bewohner des Dorfes, in dem sie bereits seit vierzig Jahren leben, schätzen und unterstützen das Paar. Im Haushalt wird sie auch durch die Putzfrau und den Gärtner entlastet. Bei den behördlichen Hilfeleistungen schätzt sie ganz besonders, dass sie sich auf Augenhöhe angesprochen und ernst genommen fühlt. «Wir beide brauchen Hilfe: er und ich. Wir sind zu zweit». Und so ist es auch: Ruth und Jean-Paul Rapin-Koenig halten zusammen und geniessen die Zeit, die sie miteinander verbringen. Ansonsten hat sie beschlossen, sich nicht allzu viele Fragen zu stellen. «Ich habe gelernt, mit der Ungewissheit zu leben.»