Das veränderte Sozialverhalten wird vom Umfeld nicht verstanden, die Betroffenen stossen auf Ablehnung. Wie können sie damit umgehen?
MD: Sehr schwierig ist, dass man den Angehörigen oft nicht glaubt. Menschen mit FTD können sich gegen aussen gut beherrschen. Dann heisst es: «Ich weiss gar nicht, was du hast.» Auch Fachleute glauben den Angehörigen nicht. Deshalb geht es auch so lange, bis eine Diagnose vorliegt. Das ist glaube ich etwas vom Schwierigsten, dieses nicht Ernstgenommenwerden. Daran geht nicht selten die Beziehung in die Brüche. Es kommt zur Trennung.
NL: Ich stelle auch fest, dass die Fachleute überfordert sind. Das Beispiel einer Frau, die ich beraten durfte, zeigt deutlich, wie dringend der Handlungsbedarf ist. Sie war bei verschiedenen Stellen und Personen für eine Beratung und alle waren überfordert. Sie konnten sie nicht unterstützen. Die Psychotherapeutin genauso wenig wie der Paartherapeut oder die IV-Stelle, obwohl die Diagnose klar war. Sie war völlig auf sich alleine gestellt.
MD: Das Wichtigste für Angehörige, das bestätigen sie mir immer wieder, sind Gruppen für Angehörige. Hier muss sich niemand erklären, jeder und jede weiss, was gemeint ist – und versteht. Die Angehörigen sehen, dass es den anderen genau gleich geht. Dieses Verständnis und der Austausch sind wichtig und hilfreich. Ein gesamtschweizerisches Austauschtreffen wäre schön. In Deutschland gibt es solche Treffen.
Was kann Alzheimer Schweiz, was können Sie den Angehörigen darüber hinaus für Unterstützung bieten?
MD: Die Gruppen sind das eine, die Beratung ist das andere. Hier liegt auch gleich das Problem, da sich selbst die Fachleute zu wenig auskennen. Entlastungsangebote wären wichtig. Seien das Tagesstrukturen oder Ferienbetten. Da Menschen mit FTD häufig jünger sind, gibt es aber kaum passende Angebote. Ein 45-Jähriger passt nicht in ein Altersheim. Das ist tragisch. Vor allem weil die Betreuerinnen und Betreuer oft überfordert sind. Es braucht fast eine 1:1-Betreuung.
NL: Das Thema «finanzierbare Entlastung» ist zentral. Auch die Finanzierung von Pflege und Betreuung. Damit die Angehörigen entlastet sind, braucht es eine umfassende Betreuung und die zahlt niemand. Es gibt zwar Hilflosenentschädigung oder Assistenzbeiträge, aber das ist zu wenig.
MD: Nicht zu vergessen sind die Kinder. Gerade Jugendliche kommen völlig durcheinander, wenn der Vater oder die Mutter sich auf diese Weise verabschiedet. Da kommt vieles zusammen, Trauer und Schamgefühle, sie fühlen sich verloren und haben Angst. Den gesunden Elternteil wollen sie nicht mit dem belasten, was sie beschäftigt. Sie brauchen fachliche Beratung und Begleitung, eine neutrale Person, bei der sie abladen können.
NL: Man muss sich bewusst sein, dass FTD eine spezifische Form von Demenz ist. Angehörige von Menschen mit FTD profitieren nicht, wenn sie in eine Alzheimer-Gesprächsgruppe gehen oder von einer Fachperson beraten werden, die sich mit FTD nicht auskennt. Die Symptomatik ist völlig anders.
FTD ist eine Demenzform, die relativ früh auftreten kann. Was bedeutet das für Betroffene und Angehörige?
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