Bereits als Beauftragter eines Hilfswerks hatte Herr Woodtli verschiedene Projekte in Thailand erfolgreich umgesetzt und war danach in der Schweiz als Leiter eines Flüchtlingsdienstes tätig, als bei seiner Mutter Alzheimer im mittleren Stadium diagnostiziert wurde. Lange hatte sie versucht, die Erkrankung zu verstecken, bevor die Veränderungen schliesslich offensichtlich wurden. Nach der Diagnose zog der Sohn zurück ins Elternhaus und kümmerte sich um seine Mutter, an den Tagen, an denen sie keine Tagesklinik besuchte. Während insgesamt neun Monaten betreute er sie selbst in der Schweiz. In dieser Zeit suchte er zunächst in der Schweiz nach Wohnmöglichkeiten für Menschen mit Demenz. Er selbst hatte zu diesem Zeitpunkt für sich den Wunsch, erneut in Asien zu leben und zu arbeiten.
 

Gemeinsamer Aufbruch nach Thailand

Da Herr Woodtli bereits vertraut war mit der thailändischen Kultur und auch um die Wertschätzung und Achtung wusste, die älteren Menschen geniessen, entschied er sich, nach Asien zurückzukehren und seine Mutter dorthin mitzunehmen. Was als Probeaufenthalt gedacht war, funktionierte von Beginn weg besser als vielleicht erwartet. Herr Woodtli stellte drei Helferinnen des lokalen Spitals an, die seine Mutter abwechselnd rund um die Uhr betreuten. Gemeinsam mit ihnen bildeten Sohn und Mutter eine Hausgemeinschaft. Auch wenn die Betreuerinnen und seine Mutter keine gemeinsame verbale Sprache hatten, bauten sie rasch eine Verbindung zueinander und eine Kommunikation miteinander auf. Bereits in der Schweiz hatte sich gezeigt, dass es der Mutter zunehmend schwerfiel, sich verbal auszudrücken und sie sich deshalb mit dem Reden mehr und mehr zurückhielt. «In Thailand fiel diese Hemmschwelle weg, meine Mutter sprach viel häufiger und redete, wie ihr der Schnabel gewachsen war», schmunzelt Herr Woodtli. 
 

Organisch gewachsen

Aufgrund der positiven Erfahrungen entschied sich Herr Woodtli, auch für weitere Menschen mit Demenz einen Lebensort in Thailand zu schaffen. In einem Dorf in der Region Chiang Mai fand er schliesslich die geeignete Umgebung. Statt ein einzelnes grosses und neues Gebäude zu bauen, entschied sich Herr Woodtli, kleinere, bereits bestehende Häuser zu nutzen und die Bewohnerinnen und Bewohner mit ihren Helferinnen auf diese zu verteilen. «Damit ist unser Projekt behutsam innerhalb des bereits bestehenden Dorfes gewachsen», berichtet Herr Woodtli. 

Entscheidend für den Erfolg des Projektes ist auch die thailändische Kultur gegenüber älteren Menschen. Die Achtung und der Respekt gegenüber älteren Menschen, die Verbindung von Körperkontakt, Nähe und Zärtlichkeit, ohne die Grenzen zu missachten, sind dabei wichtige Elemente, die sich positiv auf Menschen mit Demenz auswirken. 
 

Coop Minimarkt und gelbe Wegweiser

Aktuell leben 14 Personen mit Alzheimer oder einer anderen Demenzform im Dorf. Dabei soll es bleiben, damit das gute Gleichgewicht innerhalb der Dorfgemeinschaft und die familiäre Atmosphäre weiterhin bestehen bleiben. Zu finden im Dorfzentrum sind ein Coop-Minimarkt, der auch ein Begegnungsort für alle ist, sowie die gewohnten gelben Schweizer Wanderwegweiser. Auch die Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz nehmen ihre Erinnerungen nach Thailand mit. Der Minimarkt und die Wegweiser, Schweizer Volkslieder und die europäische Küche bis hin zu Rösti und Kartoffelstock sind fester Bestandteil ihres Alltags in Thailand.
 

Den Mut haben, Neues auszuprobieren

Für Personen, die jedoch Mühe mit Hitze haben oder das tropische Klima nicht vertragen, ist das Projekt «Baan Kamlangchay» nicht geeignet. Für Herrn Woodtli richtet sich sein Angebot nur an ein kleines Segment von Personen: Die Distanz erschwert kurzfristige Besuche.  Familiäres Zusammensein oder Besuch von Bekannten aus der Heimat sind in Form von ein- oder mehrwöchigen Aufenthalten natürlich möglich, auch regelmässig entsprechend genutzt wird. «Für Menschen mit Demenz gibt es auch in der Schweiz viele überzeugende Betreuungsangebote», weiss Herr Woodtli. Wichtig ist es aus seiner Sicht, dass Demenzbetroffene – Angehörige und Erkrankte – nach verschiedenen Möglichkeiten suchen und auch experimentieren. Genauso individuell wie der Lebensweg vor einer Erkrankung war, muss dann auch diese Phase der nötigen Betreuung der erkrankten Person und den pflegenden Personen entsprechen. Er und seine Mutter haben eindrücklich gezeigt, dass es sich lohnt, Neues auszuprobieren.