Viele Studien zeigen, dass eine Demenzerkrankung nicht automatisch zu einer schlechten Lebensqualität führt. Stimmen die Voraussetzungen, haben auch Menschen mit Demenz eine gute Lebensqualität.

Dr. phil., Betr. oec. Sandra Oppikofer leitet am Zentrum für Gerontologie der Universität Zürich den Bereich «Entwicklung und Evaluation, Evaluationsberatung». Sie eröffnete die Nationale Demenzkonferenz 2023  mit einem Referat zu Lebensqualität. Deshalb befragte Alzheimer Schweiz die Sozialpsychologin und Betriebsökonomin zu diesem Thema.

 

«auguste»: Was bedeutet Lebensqualität für Menschen mit Demenz?

Sandra Oppikofer: Auch wenn man an Demenz erkrankt, ist man in erster Linie ein Mensch mit all seinen Vorlieben, Fertigkeiten sowie Fähigkeiten und erst in zweiter Linie ist man an Demenz erkrankt. Lebensqualität ist auch mit Alzheimer oder einer anderen Demenzform bei jedem Menschen ebenso individuell wie das Älterwerden. Ich halte mich an folgende Definition: «Lebensqualität ist dann vorhanden, wenn eine Person das tun und lassen kann, was für sie wichtig ist – egal, ob jemand an Demenz erkrankt ist oder nicht.» Martin Dichter vom Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und seine Kollegen fanden aus einer Zusammenfassung verschiedener Studien folgende elf Dimensionen von Lebensqualität, welche für viele Menschen bedeutsam sind: soziale Kontakte und Beziehungen innerhalb und ausserhalb der Familie, Selbstbestimmung und Freiheit, Wohnumfeld, positive und negative Emotionen, Privatheit, Sicherheit, Selbstwertgefühl, physische und mentale Gesundheit, Glauben/Spiritualität, Pflegebeziehung, Freude an Aktivitäten sowie Zukunftsaussichten. Die Wichtigkeit und Zufriedenheit mit einzelnen Dimensionen kann sich je nach Person und Demenzstadium verändern. Lebensqualität lässt sich in jeder Phase der Erkrankung positiv beeinflussen.

 

Wie gehen Forschende vor, um mehr über die Lebensqualität zu erfahren?

Studien haben gezeigt, dass es wenig Zusammenhang gibt zwischen kognitiver Beeinträchtigung und subjektiv erlebter Lebensqualität von Menschen mit Demenz in einem leichten bis mittleren Stadium. Aus vielen Studien weiss man, dass Drittpersonen die Lebensqualität von Menschen mit Demenz meist schlechter einschätzen. Je höher z.B. die subjektive Belastung einer Pflegeperson ist, desto stärker weicht ihre Einschätzung der Lebensqualität von der Selbsteinschätzung der erkrankten Person ab.