Aufgrund der Alterung der Bevölkerung nimmt die Anzahl der Menschen mit einer Demenzerkrankung auch in der Schweiz stetig zu. Schon früh im Krankheitsverlauf kann eine Demenz mit dem Verlust der Urteilsfähigkeit einhergehen. Da nach wie vor nur wenige Menschen mit Demenz eine Patientenverfügung haben, sind oftmals ihre Angehörigen gefordert. Sie müssen Entscheidungen treffen, wenn die demenzerkrankte Person nicht mehr urteilsfähig ist. Dies birgt das Risiko, dass die getroffenen Entscheidungen nicht dem Willen der erkrankten Person entsprechen, und kann bei den Angehörigen zu Stress und Ängsten führen.

Eine mögliche Lösung bietet ein Konzept, das sich vorausschauende Behandlungsplanung durch vertretungsberechtigte Personen (englisch «Advance Care Planning by Proxy») nennt. Dieses bezweckt, die Selbstbestimmung von Menschen mit Demenz zu fördern, damit sie diejenige Pflege und Betreuung erhalten, die sie sich wünschen. Gleichzeitig werden Angehörige entlastet, indem sie sich unter fachkundiger Leitung mit den Bedürfnissen ihrer Liebsten auseinandersetzen und in der Entscheidungsfindung begleitet werden.

Bislang fehlen jedoch systematische Erforschungen einer solchen Intervention. Dies hat Prof. Ralf J. Jox und sein Forschungsteam von der geriatrischen Palliativmedizin des Universitätsspitals CHUV in Lausanne dazu bewogen, eine Intervention zu entwickeln und zu erforschen, die vertretungsberechtigte Personen bei der Entscheidungsfindung unterstützt und sie dabei angemessen begleitet.

Zurzeit führen die Forschenden eine Pilotstudie in zwei Pflegeheimen im Kanton Waadt durch, um ihre Intervention erstmalig zu untersuchen. Insgesamt nehmen zwanzig bis dreissig Angehörige von Heimbewohnenden, die an einer Demenz erkrankt sind und ihre Urteilsfähigkeit verloren haben, an der Studie teil. Im Rahmen des Projektes erarbeiten die Angehörigen gemeinsam mit speziell dafür ausgebildeten Pflegekräften und den behandelnden Ärztinnen und Ärzten den mutmasslichen Willen der demenzerkrankten Person. Dabei werden in mehreren moderierten Gesprächen die Werte der erkrankten Person mittels biografischer Arbeit rekonstruiert und auf mögliche zukünftige Szenarien hinsichtlich Behandlungs- und Pflegeentscheidungen angewendet. Wenn möglich werden dabei auch immer die Menschen mit Demenz in die Gespräche miteinbezogen. Die Gespräche werden dokumentiert und für alle involvierten Personen (Angehörige, Pflegeteam, Ärztin, demenzerkrankte Person) zugänglich aufbewahrt, damit sie bei zukünftigen Entscheidungen angewendet werden können. 

Die von Alzheimer Schweiz geförderte Studie soll die Akzeptanz und Durchführbarkeit dieser neu entwickelten Intervention prüfen sowie deren Auswirkungen auf die Entscheidungskonflikte der Angehörigen untersuchen. Erste Ergebnisse des Forschungsprojekts werden in diesem Jahr erwartet. Diese bilden die Grundlage für eine mehrjährige Studie, welche die Wirksamkeit eines vorausschauenden Behandlungsplans untersucht.