Lücke zwischen Bedürfnissen und Angeboten
 

Angehörige von Menschen mit Demenz übernehmen nicht nur im häuslichen Umfeld einen grossen Teil der Betreuungs- und Pflegeaufgaben und entlasten damit das Gesundheitswesen. Deshalb ist es zentral, dass sie passende Unterstützung und Entlastung erhalten, um diese oftmals langwierige und belastende Aufgabe zu meistern. Obwohl es entsprechende Angebote zur Unterstützung gibt, stimmen diese nicht immer mit den Bedürfnissen der Angehörigen überein. So wird die Inanspruchnahme von solchen Angeboten unter anderem als zu kompliziert oder als zu zeitaufwendig wahrgenommen. Ebenfalls werden die pflegenden Angehörigen selten bei der Gestaltung von Angeboten miteinbezogen und nur als unterstützungsbedürftige Personen angesehen. Ihre Expertise fliesst noch wenig in Angebote ein: Denn sie sammeln tagtäglich wichtige Erfahrungen und Alltagswissen in der Betreuung und Pflege ihrer erkrankten Angehörigen. Ein Forschungsteam der Ostschweizer Fachhochschule hat sich deshalb zum Ziel gesetzt, bestehende Unterstützungs- und Entlastungsangebote unter Einbezug von Angehörigen weiterzuentwickeln. «Zentral war es dabei, den Angehörigen auf Augenhöhe zu begegnen und die Angebote besser auf ihre Bedürfnisse abzustimmen», unterstreichen die beiden Projektleiter, Prof. Martin Müller und Prof. Steffen Heinrich.
 

Erfassung der Bedürfnisse


Im mittlerweile abgeschlossenen Projekt ist das Forschungsteam den Fragen nachgegangen, wo und warum Diskrepanzen zwischen den Angeboten und den Bedürfnissen bestehen, aber auch, wie diese besser aufeinander abgestimmt werden können. Dazu wurden sowohl betreuende Angehörige von Menschen mit Demenz als auch Fachpersonen von vier professionellen Unterstützungsnetzwerken für Demenzbetroffene befragt. Letztere bestanden unter anderem aus Mitarbeitenden von kantonalen Alzheimer-Sektionen, der Spitex, von Pro Senectute oder Gemeindemitarbeitenden aus den vier Regionen Bassersdorf, Chur, Rapperswil-Jona und Schaffhausen. 

Dabei zeigte sich, dass die Angehörigen mit den Unterstützungsnetzwerken zwar überwiegend zufrieden sind, jedoch auch Hindernisse bestehen. So sind die Angebote teilweise nicht niederschwellig genug zugänglich oder die Vernetzung und der Informationsaustausch zwischen den Fachpersonen werden als ungenügend beschrieben. «Darüber hinaus werden betreuende Angehörige überwiegend als Empfängerinnen und Empfänger von Angeboten zur Entlastung und Unterstützung gesehen und eine Mitgestaltung von Angeboten durch Angehörige auf Augenhöhe wurde bisher nicht mitgedacht», erläutern die beiden Projektleiter. Dies ist unter anderem auch darauf zurückzuführen, dass oftmals nicht genügend Ressourcen vorhanden sind, sowohl seitens der Anbieter als auch seitens der betreuenden Angehörigen.


Gemeinsame Gestaltung


Um die aus den Interviews resultierenden Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, erarbeitete das Projektteam gemeinsam mit den Angehörigen und den Fachpersonen Ideen für Veränderungen und setzte erste Massnahmen um mit dem Ziel, Angehörige besser zu erreichen und einzubeziehen: So wurde u.a. ein Flyer zum Thema Demenz entwickelt und in Hausarztpraxen zugänglich gemacht. Ebenso konnten Angehörige die Themen für Fachimpulse im Rahmen von Cafés für Demenzbetroffene mitbestimmen. Die gemeinsame Analyse und Erarbeitung von Prozessen zur Mitgestaltung zwischen Angehörigen und Netzwerkakteuren im Rahmen des Projekts wurde als sehr bereichernd für alle Seiten empfunden.

Um weitere Netzwerke auch zukünftig dabei zu unterstützen, ihre Angebote weiterzuentwickeln, ist der Werkzeugkoffer «Demenznetzwerke mit Angehörigen zusammen gestalten» entstanden. Dieser beinhaltet Wissenswertes sowie praktische Anleitungen und soll Fachpersonen dazu dienen, Angebote besser auf die Bedürfnisse von Angehörigen abzustimmen und diese als Kooperationspartner bei der Mitgestaltung einzubeziehen. Damit wird ein wichtiger Beitrag zur Unterstützung von betreuenden Angehörigen und somit auch zur Verbesserung der ambulanten Versorgung von Menschen mit Demenz geleistet.

 

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