Vor seiner Pensionierung im November 2022 war Dr. med. Andreas Studer während mehrerer Jahrzehnte als Leitender Arzt in der Universitären Altersmedizin FELIX PLATTER tätig. Als Vorstandsmitglied von Alzheimer Schweiz begleitete er während vielen Jahren die Entwicklung der Organisation. Alzheimer Schweiz befragte den erfahrenen Psychiater zu seinen Erlebnissen und Erkenntnissen aus seinem Einsatz für Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen.
 

Was hat Sie in den letzten Jahrzehnten im Kontakt mit Menschen mit Demenz am meisten erstaunt?

Als ich begonnen habe, hat mich am meisten beeindruckt, dass es in den Demenz-Abteilungen überraschend fröhlich zu und her geht. Natürlich gibt es auch schwierige Momente, aber es hat auch viele Momente, welche für die Erkrankten und die Betreuenden schön und lustig sind. Da ist auch viel Lebensfreude vorhanden.
 

Welches persönliche Erlebnis hat Sie besonders ergriffen?

Der Sohn einer an Demenz erkrankten Mutter erzählte, seine Mutter zeige jetzt Emotionen, die er sein Leben lang vermisst habe. Sie sei immer eine kühle, leistungsorientierte Schafferin gewesen, habe ihn nie in den Arm genommen sondern habe ihre Liebe über Sockenstricken ausgedrückt. Aufgrund der Demenzerkrankung konnte sie das nicht mehr und wurde seitdem viel offener und herzlicher. So spazierten sie bei seinen Besuchen im Spital Arm in Arm. Beide haben das genossen und waren in solchen Situationen glücklich. Die Lehre für mich war, dass eine Demenz nicht nur Defizite mit sich bringt, sondern es kann auch Neues entstehen, das für die Betroffenen beglückend ist. Bei Demenz nimmt die Kognition ab, aber die Emotionen bleiben noch sehr lange erhalten und können sogar wachsen.