Die Sonne scheint in den Saal der Pfarrei Guthirt in Zürich, in dem an diesem Nachmittag die Probe des Weischno-Chors stattfindet. «Hoi, schön, dass du auch wieder da bist», «Ich bin zum ersten Mal dabei und möchte einmal reinschnuppern», so oder ähnlich begrüssen sich die rund 30 Personen, die sich zum gemeinsamen Singen treffen. 


Aufwärmen mit Strecken und Gähnen

Die Probe beginnt mit einem Einsingen. Chorleiter Peter Baumann bittet die Sängerinnen und Sänger, aufzustehen und das Gewicht von einem Bein auf das andere zu verlagern und umgekehrt. Wer nicht aufstehen möchte oder kann, macht sitzend mit. Es wird bewusst laut gegähnt und mit verschiedenen Tonübungen bereiten sich die Anwesenden auf das gemeinsame Singen vor.


«Der ‹Drunken Sailor› braucht mehr Bauch»

Mani-Matter-Songs wie «Der Ferdinand isch gstorbe», Evergreens wie «Oh, Donna Clara» und auch fremdsprachige Lieder stehen an diesem Tag auf dem Programm. Peter Baumann begleitet am Klavier und erzählt immer wieder Spannendes zur Entstehungsgeschichte der Lieder. Besonders wichtig ist ihm auch das richtige Intonieren: Der Song «Drunken Sailor» brauche viel mehr Bauch, erklärt er, macht es gleich vor und bringt die Anwesenden damit wie viele Male an diesem Nachmittag zum Lachen und Mitmachen.

 
Klar artikulieren will geübt sein

Auch die Rhythmik gilt es zu verfeinern, indem die Wörter und Silben korrekt auf die verschiedenen Notenlängen verteilt und gesprochen werden. «Achtet auch auf die Pausen, sie sind für die Zuhörenden ein Überraschungsmoment», erklärt Peter Baumann.
 

Viele Lieder klappen bereits sehr gut. Optimierungsbedarf ortet der Chorleiter teilweise noch bei der Artikulation. «Ihr habt ja etwas Wichtiges zu sagen und das Publikum will das auch ganz hinten noch verstehen», erklärt er und macht vor, was es zu beachten gilt. Gemeinsam spricht man die Texte durch, bewegt die Lippen und die Zunge ausgeprägter als sonst und merkt, wie viel es für eine deutliche Aussprache braucht.


Gemeinsam eine gute Zeit verbringen

Peter Baumann war 40 Jahre lang Organist und Chorleiter. Nach der Pensionierung wollte er musikalisch aktiv bleiben und initiierte mit Demenzexpertin Irene Bopp, Vorstandsmitglied von Alzheimer Zürich, und der Pfarrei Guthirt den Weischno-Chor. «Weil Musik alle Menschen anspricht, haben wir das Projekt von Anfang inklusiv angelegt, sodass alle singfreudigen Personen mitmachen können», erzählt Peter Baumann.
 

Rund die Hälfte der Teilnehmenden hat eine Demenz, die anderen Teilnehmenden sind Angehörige oder Personen, die einfach gerne singen und die nachmittägliche Gelegenheit schätzen. «Die Erkrankung ist kein Thema im Weischno-Chor. Vielmehr geht es darum, gemeinsam die Kraft der Musik zu erleben und zusammen eine gute Zeit zu verbringen», erklärt Peter Baumann. So endet jede Probe mit einem gemütlichen Beisammensein bei Kuchen und Kaffee. Auch Freiwillige unterstützen das Chorprojekt.


Der Chor möchte Inspiration sein

«Alle sind herzlich willkommen», meint Peter Baumann. Bereits kann der Chor auf verschiedene Auftritte zurückblicken, bei denen das Publikum jeweils auch zum Mitsingen eingeladen ist. «Solche Gelegenheiten motivieren uns alle, uns gut und mit genügend Zeit auf kommende Konzerte vorzubereiten.»


Der Zürcher Weischno-Chor ist schweizweit der erste Chor, der sich an Menschen mit und ohne Demenz richtet. «Es wäre schön, wenn wir weitere solche Projekte anregen könnten», meint der Chorleiter abschliessend, «denn gemeinsam zu singen, macht glücklich und wirkt sich positiv auf unser Wohlbefinden aus.» 


Seit kurzem hat auch Alzheimer Graubünden einen solchen Chor gestartet (alz.ch/gr).