Martin Täuber stand fünf Jahre als Rektor an der Spitze der Universität Bern. Vorangegangen war eine Karriere als Medizinprofessor und Klinikdirektor am Inselspital. Seit Juni 2016 ist er pensioniert, im September 2016 erhielt er die Diagnose Alzheimer. Seine Form der Demenz ist eine posteriore kortikale Atrophie. Dies äussert sich in Form von Orientierungsschwierigkeiten sowie ausgeprägten Sehstörungen. Martin Täuber erklärt es so: «Ich bin nicht blind, sehen beziehungsweise lesen könnte ich schon, aber das Gehirn kann das nicht mehr verarbeiten». Dadurch ist die Orientierung im Alltag stark eingeschränkt und er braucht Unterstützung. So kann er sich zwar in der Wohnung noch einigermassen zurechtfinden, aber das Anziehen und die täglichen Verrichtungen sind eine grosse Herausforderung. Es gibt diverse Dinge, die am Anfang der Diagnose noch möglich waren und heute nicht mehr, wie beispielsweise alleine in die Stadt oder zum Sport zu gehen.


Davon lässt sich Martin Täuber jedoch nicht unterkriegen. Das erste Jahr sei schwer gewesen, doch schon früh habe er beschlossen, das gewohnte Leben so gut und so lange wie möglich weiterzuführen. Für seine Frau sei der Einschnitt aber gross gewesen, neben der Pflege von Martin müsse sie mehr organisieren und alle Aufgaben im Zusammenleben würden nun auf ihren Schultern lasten. Unterstützung erhält sie dabei von der Tochter und dem Sohn, der noch zu Hause wohnt. Dennoch kommt sie immer wieder an ihre Grenzen und muss gut mit ihren Ressourcen haushalten. Sie findet, dass es in der Schweiz für Angehörige mehr Unterstützungsangebote bräuchte und mehr Wertschätzung von der Gesellschaft. 

Was das Ehepaar anderen Betroffenen rät? «Informieren Sie sich unbedingt selbst so gut es geht über das Krankheitsbild und lassen Sie sich nicht beirren, wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas mit Ihnen oder dem Partner nicht stimmt. Viele Hausärzte sind zu wenig informiert über die Anzeichen und das Krankheitsbild einer Demenz.» Er kennt Fälle, wo Betroffene als Simulanten abgetan oder gar eine Fehldiagnose gestellt wurde. Erst viel später habe man herausgefunden, dass es sich um eine Demenz handle. Deshalb sein Appel: «Holen sie sich Unterstützung von Organisationen und verlieren Sie den Mut nicht».

Neben der Musik und Hörbüchern geben Martin Täuber seine Familie, seine Freunde und das Eingebundensein in der Kirchgemeinde Energie. Er und seine Frau haben einen grossen und guten Freundeskreis und sind sozial immer noch sehr aktiv, getreu dem Motto «Live life to the fullest» – dies sowohl in Bern als auch in San Francisco, wo sie bis vor kurzem jeweils die Hälfte des Jahres lebten. Dort sind sie auch Teil einer Selbsthilferespektive Betroffenengruppe mit monatlichem Austausch per Zoom. «Als Caregiver muss ich sagen, dass die Situation für uns Pflegende in den USA viel fortschrittlicher ist und es deutlich mehr Unterstützung gibt, sei es bei den Angeboten oder den behördlichen und organisatorischen Hürden.» erklärt die Amerikanerin. So sei es auch normal durch Aktivitäten Aufmerksamkeit für ein Thema zu generieren.

Da Martin Täuber Sport schon immer wichtig war, wollte er unbedingt mit Freunden nochmals auf eine grosse Velotour gehen und dabei ein Zeichen setzen mit seiner persönlichen Botschaft: «Auch mit der Diagnose Demenz ist ein gutes Leben möglich.» Ein weiteres Ziel war es, Fundraising zu betreiben für Organisationen, die Demenzbetroffene unterstützen. Im Herbst 2021 ging es los. Dank Tandemvelo war die Fahrt trotz der Beeinträchtigungen kein Problem. Eines der Ziele der Route war die Lueg, auf der er früher einmal mit Freunden einen Geburtstag gefeiert hatte. All die Erlebnisse mit seinen Mitstreitern auf der Tour hätten Spass bereitet und Kraft gegeben. «Mein Leben ist wie es ist, ich möchte trotz Diagnose nicht zurück nach früher.

Ich konnte über die Jahre viel erreichen und kann es auch jetzt noch – erleben, einbringen und anderen Mut machen, das möchte ich.» Auch wenn die Krankheit ihn zunehmend einschränkt, kümmert er sich in der Gesellschaft um andere. Er findet, wir alle sollten kranke und eingeschränkte Menschen aktiver unterstützen und sie besser in die Gesellschaft integrieren. Ein Herzenswunsch von ihm ist es, ältere Menschen, die ohne Angehörige sind und noch alleine wohnen, zu unterstützen, insbesondere dann, wenn sie krank sind. Gemeinsam mit seinen guten Freunden ist er am überlegen, wie sich diese Isolation aufbrechen lässt und er möchte Organisationen, die in diesem Bereich tätig sind, unterstützen.