Ob eine Person urteilsfähig ist, ist immer in Bezug auf eine bestimmte Situation zu beurteilen. Gerade bei Menschen mit Demenz muss dies sorgfältig geprüft werden, denn eine Demenzdiagnose bedeutet keinesfalls den sofortigen Verlust der Urteilsfähigkeit.   

Dieselbe Person kann etwa für alltägliche Einkäufe noch urteilsfähig sein, nicht aber für den Verkauf eines Hauses. Ähnlich ist es bei medizinischen Fragen: Für den Entscheid zur Grippeimpfung mag die Person mit Demenz noch urteilsfähig sein, jedoch nicht für eine schwierige risikoreiche Operation.  

Um die Urteilsfähigkeit zu beurteilen, müssen zwei Fragen beantwortet werden:

  • Willensbildungsfähigkeit: Kann die Person eine bestimmte Situation verstehen, Nutzen und Wirkungen eines bestimmten Handelns abwägen, um sich dann für etwas zu entscheiden?
  • Willensumsetzungsfähigkeit: Kann die Person den so gebildeten Willen auch frei und unbeeinflusst umsetzen?

Die Aufgabe, über die Urteilsfähigkeit von Demenzerkrankten zu entscheiden, ist immer schwierig. Denn letztlich stehen sich immer Selbstbestimmungsrecht und Schutz der betroffenen Person gegenüber.

Als Angehörige können Sie in die Lage kommen, für die demenzerkrankte Person handeln zu müssen, wenn sie bezüglich bestimmter Handlungen nicht mehr urteilsfähig ist. Wenn kein Vorsorgeauftrag vorliegt, sieht das Gesetz gewisse Handlungsmöglichkeiten vor. Die Ehepartnerin kann etwa ihren urteilsunfähigen Partner bei alltäglichen Geschäften vertreten oder bestimmte medizinische Entscheide treffen.

Die Urteilsfähigkeit spielt im Erwachsenenschutzrecht eine grosse Rolle. Zum Beispiel tritt ein vorher erteilter Vorsorgeauftrag erst in Kraft, wenn die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) die Person als urteilsunfähig beurteilt. Bei einem Heimaufenthalt gelten besondere Schutzbestimmungen. So darf die Bewegungsfreiheit von urteilsunfähigen Heimbewohnerinnen und -bewohnern nur unter strengen Voraussetzungen eingeschränkt werden; die Massnahmen müssen protokolliert werden und sind bei der KESB anfechtbar.