1. Was ist eigentlich eine Memory Clinic?
«Hier arbeiten Spezialisten aus verschiedenen Disziplinen der Medizin und der Neuropsychologie zusammen», erklärt Ansgar Felbecker. Er ist Neurologe und leitender Arzt an der Memory Clinic des Kantonsspitals St. Gallen, zudem präsidiert er den Verein Swiss Memory Clinics. Die Zusammenarbeit erlaube eine differenzierte Diagnose möglichst zu Beginn einer Erkrankung. Die Betroffenen werden meist durch den Hausarzt überwiesen, die Krankenkasse bezahlt die Abklärung. Der grösste Vorteil der Memory Clinic ist laut Felbecker die Erfahrung: «Wir führen viele Abklärungen durch.» In St. Gallen sind es an zwei Standorten rund 600 pro Jahr, auch zu seltenen Formen der Demenz. Die Memory Clinic könne individuell beurteilen, ob eine Hirnleistung von der Norm abweicht, führt die Neuropsychologin Sylvia Zimmerer aus: «Eine 59-jährige Akademikerin und ein 80-Jähriger mit neun Jahren Schulbildung haben nicht die gleiche Ausgangslage.»

2. Wie läuft die Abklärung ab?
Zuerst findet ein Gespräch mit den Patienten statt. «Wir bitten auch Angehörige mitzukommen», sagt die Neuropsychologin. Besprochen wird etwa, wie die Patienten selber und die Angehörigen die Situation einschätzen. Danach folgt der wichtigste Teil: neuropsychologische Tests. Sie betreffen das Gedächtnis, die Aufmerksamkeit und die Fähigkeit, zu kombinieren. Das dauert rund zwei Stunden und kann anstrengend sein. «Doch Angst muss man nicht haben», unterstreicht Neurologe Felbecker. Es sei keine Prüfung, sondern gebe den Fachleuten viele wichtige Informationen für die genaue Diagnose. Und: Nicht nur Einschränkungen werden dabei sichtbar, sondern auch, was noch gut funktioniert. Weiter wird eine Magnetresonanztomografie (MRI) des Gehirns erstellt, eine ärztliche Untersuchung rundet die Abklärung ab. Nur in zehn bis fünfzehn Prozent aller Fälle ist zusätzlich eine Analyse des Liquors, also des Nervenwassers, erforderlich. Es wird am unteren Rücken entnommen. «Das hilft uns, wenn wir mit der Diagnose nicht sicher sind», erklärt ­Felbecker und ­beruhigt sogleich: «In erfahrenen Händen ist diese Routineuntersuchung keine grosse Sache.» 

3. Wie geht es danach weiter?
Die St. Galler Memory Clinic führt die Abklärungen an einem Tag durch, andere verteilen sie auf mehrere Tage. Danach setzen sich alle Fachleute in der Diagnosekonferenz zusammen und beurteilen die Ergebnisse. Eine bis zwei Wochen nach der Untersuchung werden Patienten und Angehörige zum Gespräch eingeladen. Ein Anliegen sei es, die Diagnose so zu beschreiben, dass auch die von Demenz betroffene Person sie versteht, sagt der Chefarzt. Bei neunzig Prozent der Patienten ist eine gesicherte Diagnose möglich, bei den restlichen braucht es später eine weitere Abklärung. Das Dossier geht mit einer Therapieempfehlung an den Hausarzt zurück. Auch wenn die Menschen die Memory Clinic mit der Gewissheit einer Demenz verlassen, sind sie doch oft erleichtert, wie Felbecker beobachtet: «Selbst eine schwere Diagnose ist besser als Unsicherheit.» Weil die Ursache für ein verändertes Verhalten nun bekannt sei, lösten sich Anspannungen in der Familie meist auf, fügt Zimmerer an: «Das ist für mich immer wieder berührend zu sehen.»